Protokoll »Phönix blau«

 

Nach reiflicher Prüfung der Fakten sind wir, das Gremium der sieben Genesis-Bastionen, übereingekommen, den Larsen-Plan in vollem Umfang durchzuführen. Ihm zugrunde liegen die statistischen Hochrechnungen der wissenschaftlichen Abteilungen I bis XII, welche bei kontrolliertem Einsatz der Ressourcen eine 80-prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit der Menschheit sowie eine 75-prozentige Chance auf Wiederansiedelung auf der Oberfläche bis zum Jahr 2193 garantieren.
Der hier vorliegende Beschluss 12.1 – 3, im Folgenden bezeichnet als Protokoll »Phönix blau«, besitzt als primärer Teil des Gesamtkataloges oberste Priorität und verlangt eine zeitnahe Realisierung.
Er ist aufs Genaueste einzuhalten und unterliegt selbstverständlich strengster Geheimhaltung. 

 

§ 1:  Registrierungspflicht

Jeder volljährige Einwohner einer Genesis-Bastion ist dazu aufgerufen, sich binnen der festgesetzten Frist von sechs Wochen ab heute bei der für ihn zuständigen Erfassungsbehörde zu melden.

§ 1 a: Sonderregelungen gelten für Kinder und nicht mobile Personen. Die Meldung Minderjähriger fällt in den Verantwortungsbereich der Erziehungsberechtigten beziehungsweise in den der Bastions-Verwaltungsorgane bei Tod der Selbigen. Nicht mobile Personen haben eine Registrierung vor Ort zu beantragen.

§ 1 b: Bei Zuwiderhandlung respektive Versäumnis der Frist drohen die Zwangsvorführung unter Aufsicht eines Vertreters dieses Gremiums sowie – in besonders drastischen Fällen der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung.

Eine entsprechende Bekanntgabe wurde bereits in die Wege geleitet.

 

§ 2: Kategorisierungspflicht

Die im Rahmen der Registrierung vorgenommene Einstufung, basierend auf eingehenden medizinischen und psychologischen Tests, gilt ab dem 7.Lebensjahr als bindend. Das dem Profil zugrunde liegende Gutachten umfasst die aktuelle gesundheitliche Situation, eine genetische Entwicklungsprognose, die Ermittlung des Intelligenzquotienten, einen Belastungsindex sowie die Identifikation möglicher Risikofaktoren. Das Ergebnis ist mittels eines elektronischen Implantationschips festzuhalten.
Die genauen Instruktionen sind dem dazugehörigen Memorandum zu entnehmen.

§ 2 a: Kinder, die während der Erstregistrierung unter dieser Altersgrenze liegen, werden mit dem Vermerk vorläufiger Neutralität für eine spätere Kategorisierung zurückgestellt. 

§ 2 b: Die Separation vom jeweiligen sozialen Umfeld und die Eingliederung in die zugewiesenen Areale haben bei Erwachsenen sofort, bei Minderjährigen mit Erreichen des 12.Lebensjahres zu geschehen. Eine frühere Eingliederung ist bei Minderjährigen angezeigt, deren Erziehungsberechtigte verstorben oder durch ihre Klassifizierung nicht mehr in der Lage sind, sich eigenständig um ihre Kinder zu kümmern.

§ 2 c: Bei Zuwiderhandlung siehe § 1 b.

 

§ 3: Kategorisierungsklassen

Die in § 4 bis § 9 beschriebenen Zuordnungsgruppen des Protokolls »Phönix blau« sind dauerhaft gültig, solange keine überproportionalen Änderungen im Profil auftreten. Regelmäßige Kontrolltests haben im Abstand von drei Jahren zu erfolgen.
Bei signifikanten Abweichungen in den Untersuchungsergebnissen wird das ärztliche Personal angehalten, diese dem Gremium unverzüglich zu melden, welches anschließend über eine eventuelle Modifikation entscheidet.
Die Schwellenwerte zur Klassifizierung finden Sie in Beschluss 12.2 – 1.

§ 3 a: Die Kategorisierung von Personen, deren Werte sich mit keiner Zuordnungsgruppe eindeutig vereinbaren lassen, fällt in den Zuständigkeitsbereich des jeweils ranghöchsten Vertreters des medizinischen Stabes. Eine solche Klassifizierung ist als temporär zu betrachten und bedarf der nachträglichen Legitimation durch das Gremium.

 

§ 4: Zuordnungsgruppe A

Personen bis 45 Jahre mit einem einwandfreien Gesundheitszeugnis, hohem Belastungsindex, geringen Risikofaktoren und mittlerem Intelligenzquotienten sind der Klasse der Arbeiter zuzuführen. Das jeweilige Einsatzgebiet richtet sich nach zusätzlichen Charakteristika wie Vorbildung, praktischer Erfahrung und psychologischer Tauglichkeit.
Jedem Arbeiter steht eine tägliche Ration »B217« zu. Bei Arbeitern, die zu Einsätzen auf der Oberfläche herangezogen werden, erhöht sich die täglich gewährte Konsummenge auf das Doppelte.

 

§ 5: Zuordnungsgruppe BS

Personen bis 35 Jahre mit einem einwandfreien Gesundheitszeugnis, unauffälliger genetischer Prognose, niedrigem Belastungsindex und niedrigem Intelligenzquotienten sind der Klasse der Blutspender zuzuführen.
Ihnen ist die Aufnahme natürlicher Lebensmittel nach einem strengen Ernährungsplan gestattet. Zudem sind sie verpflichtet, sich an den verordneten Maßnahmen zur Erhaltung eines optimalen Gesundheitszustandes zu beteiligen.

§ 5 a: Jedem Spender ist ein Formular »Rot 32« auszuhändigen, das den speziell auf die betreffende Person zugeschnittenen Blutentnahmerhythmus enthält.

§ 5 b: Entnommene Konserven sind anonym zu kennzeichnen und innerhalb von 24 Stunden an die Aufbereitungsanlage zu überstellen. Kontaminierte oder anderweitig unbrauchbare Lieferungen, die sich nicht zur Herstellung des Nahrungsersatzstoffes »B217« eignen, führen zu einem Disziplinarverfahren, in dessen Verlauf sich der Spender und der betreffende medizinische Leiter vor diesem Gremium zu verantworten haben.

 

§ 6: Zuordnungsgruppe G

Weibliche Personen zwischen 18 und 30 Jahren mit einem einwandfreien Gesundheitszeugnis, hohem Belastungsindex, positiver genetischer Entwicklungsprognose und geringen Risikofaktoren sind der Klasse der Gebärenden zuzuführen.
Sie sind als Einzige von der Massensterilisation im Zuge der Registrierung ausgeschlossen (siehe dazu Beschluss 12.1-2).

§ 6 a: Die Befruchtung mit ausgewähltem Spendersperma sollte frühestens drei Wochen nach der chemischen Deaktivierung des cerebralen Systems vorgenommen werden und auch nur dann, wenn keinerlei tiefere Gehirnaktivität mehr festgestellt wird und der Körper positiv auf das Wachkoma sowie die intravenöse Gabe von »B217« reagiert.

§ 6 b: Potenzielle Gebärende unter 18 Jahren beziehungsweise solche, die nicht an einer aktuellen Fortpflanzungsphase teilnehmen, sind bis Reifeeintritt oder Befruchtung wie Angehörige der Zuordnungsgruppe OS zu behandeln. Siehe dazu § 8.

§ 6 c: Nach maximal drei Schwangerschaftszyklen sind Gebärende endgültig aus dem Fortpflanzungssystem zu entfernen.

 

§ 7: Zuordnungsgruppe D

Personen bis 65 Jahre mit einem Intelligenzquotienten über 130 und einem mindestens als »ausreichend« bescheinigten Gesundheitszeugnis sind der Klasse der Denker zuzuführen. 

§ 7 a: Da die Immobilisierung bei einigen Testkandidaten für erhebliche psychologische Ausfallerscheinungen gesorgt hat, ist ein vorbereitendes Gespräch mit den betreffenden Personen angezeigt.

§ 7 b: Der Umfang der Immobilisierung steht in direkter Abhängigkeit zur Art der Hochbegabung. Bei nachweislichem Bedarf an schriftlicher Notizenführung ist das Rückenmark nach Beschluss 14.3-1 in den unteren Leistenregionen zu durchtrennen, ansonsten im Bereich der Nackenwirbel.

 

§ 8: Zuordnungsgruppe OS

Personen bis 45 Jahre mit einem positiven Gesundheitszeugnis, niedrigem Intelligenzquotienten, negativer genetischer Prognose und geringem Belastungsindex sowie Angehörige der Zuordnungsgruppe BS über 35 Jahre sind der Klasse der Organspender zuzuführen.
Ihnen ist die Aufnahme natürlicher Lebensmittel nach einem strengen Ernährungsplan gestattet. Zudem sind sie verpflichtet, sich an den verordneten Maßnahmen zur Erhaltung eines optimalen Gesundheitszustandes zu beteiligen.

§ 8 a: Bei Entnahme eines nicht lebenswichtigen Organs wie beispielsweise einzelner Nieren oder der Netzhaut sind Organspender nach einer entsprechenden Regeneration in separate Areale zu verbringen. Eine Wiedereingliederung in das vorherige Umfeld ist unserer Erfahrung gemäß nicht möglich ohne die geistige Stabilität der anderen Spender zu gefährden. 

 

§ 9 Zuordnungsgruppe V

Folgende Personen erfüllen dauerhaft nicht die nötigen Kriterien, um einer Klasse von § 4 bis § 8 zugeführt zu werden respektive unterliegen einer Änderung in ihrem Profil, die eine Klassifizierung gemäß den dort aufgelisteten Bedingungen nicht länger zulässt:

a) Personen über 45 Jahre, die nicht zur Zuordnungsgruppe der Denker zählen

b) Denker, die das 65. Lebensjahr überschritten haben

c) Gebärende, die drei Schwangerschaftszyklen durchlebt haben

d) Arbeiter, Blutspender, Gebärende oder Denker, deren Profil durch Krankheit, Unfall oder unvorhergesehene Ereignisse eine nicht tragbare Änderung erfahren hat und die keine Tauglichkeit als Organspender besitzen

e) Personen, die die Mindestanforderungen § 4 bis § 8  nicht erreichen beziehungsweise deren Werte zu weit von diesen abweichen, um eine nonkonforme Eingliederung zu rechtfertigen

f) Personen, die durch ihr Verhalten die Aufrechterhaltung einer friedlichen Ordnung gefährden

Alle Personen, die laut dieser Bestimmungen der Klasse der Verbannten zuzuführend sind, verlieren umgehend die Aufenthaltsgenehmigung für sämtliche Genesis-Bastionen. Sie sind auf die Oberfläche zu verbringen und dort ihrem Schicksal zu überlassen. Der Umgang mit ihnen ist bei Strafe verboten. Eine Tötung auf Wunsch kann bei rechtzeitigem Antrag gewährt werden. Bei hilflosen Individuen wie ehemaligen Gebärenden oder Denkern obliegt diese Verantwortung dem medizinischen Personal.

 

§ 10 Schlussklausel

Mit Kenntnisnahme des Protokolls »Phönix blau« und seines Inhalts, stimmen Sie den hierin enthaltenen Verordnungen stillschweigend zu.
Jede Manipulation des Systems wird als Hochverrat angesehen und entsprechend geahndet. Ein freiwilliger Rücktritt aus moralischen oder persönlichen Gründen bedarf einer Genehmigung und führt gemäß den Richtlinien für Angehörige der Führungsebene zur automatischen Klassifizierung als Verbannter.  

 

Möge unser Überleben diese Maßnahmen rechtfertigen

Mark Foster
Präsident des Gremiums der sieben Genesis-Bastionen